Am 29. September 2023 trafen sich in Biel rund 230 Fachleute aus dem Bauschadstoffbereich zur fünften PolluConf. Unter dem Titel «Vom Fachwissen zur Handlung» gab es Vorträge über Themen wie die Sensibilisierung von Bauherren, der Umgang mit radioaktiven Bauteilen, oder die Erfassung wiederverwendbarer Bauteile im Rahmen der Gebäudeuntersuchungen. Und auch diesmal gab es wieder viel Gelegenheit für Diskussionen und Networking, aber auch um im Rahmen der Ausstellung neue Produkte und Dienstleistungen kennenzulernen.
Was wollen wir bewegen, und welches Fachwissen braucht es dazu? Diese Frage haben sich die Organisatoren der PolluConf beim Zusammenstellen des Programms für die diesjährige Konferenz gestellt. Herausgekommen ist eine Mischung aus interessanten Erfahrungsberichten, Vorträgen zu theoretischem Hintergrundwissen, aber auch ein Ausblick auf kommende, neue Regeln und Vorschriften.
Standortbestimmung
Den Einstieg der Konferenz machte Martin Gschwind, Stabsleiter der Suva. Er erklärte, wie die Suva die Situation bezüglich Arbeitnehmerschutz vor Asbest einschätzt: Nach wie vor werden viele Arbeiten ausgeführt, ohne dass vorher eine Bauschadstoff-Untersuchung vorgenommen wurde. Dies ist vor allem der Fall bei Projekten, die nicht bewilligungspflichtig sind. In die Pflicht nehmen will die Suva neben den Handwerkern vermehrt auch die Bauherrschaft, denn nur in rund 15% der Fälle ist sie sich der Asbest-Problematik überhaupt bewusst und handelt entsprechend. Deshalb sind verschiedene Kampagnen geplant oder laufen bereits.
Die Suva, respektive das Forum Asbest Schweiz (FACH) appellieren aber auch an die Bauschadstoff-Spezialist·innen selbst. Von der Untersuchung über die Sanierung bis zur Entsorgung funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren nur teilweise.
Dies wurde auch im zweiten Vortrag deutlich: Daniel Lang, Sicherheitsexperte bei der Suva, präsentierte Resultate von Kontrollen von Bauschadstoff-Gutachten. So hat die Suva eine Checkliste erstellt, die auch definiert, was als erhebliche Mängel gilt. Bei der Kontrolle von Gutachten mit dieser Checkliste hat sich gezeigt, dass über 50% der Berichte mindestens EINEN erheblichen Mangel aufweisen. Zu diesen Mängeln zählen Punkte, wie ein vom Umbauperimeter abweichender Untersuchungsperimeter, unvollständige oder nicht repräsentative Probenahmen oder falsche Empfehlungen für die Sanierung / für die Entsorgung.
Die Bedeutung der Gutachten unterstrich auch Hansueli Ziegler, Präsident des Fachverbands Bauschafstoffsanierer in seinem Vortrag. «Gutachten müssen für den Laien verständlich und für einen Fachmann vollständig nachvollziehbar sein», zitiert er, und weist speziell auf drei Punkte hin: Ein Schadstoff-Gutachten muss im Umbauperimeter vollständig untersucht sein, inklusive verdeckte Schichten, was auch manchmal Kernbohrungen beinhalten muss. Sollte Asbest im Verputz nachgewiesen werden, braucht es gezwungenermassen eine Schichtanalyse. Und ein Gutachten braucht einen Plan. Er weist ausserdem auf die Bedeutung von klaren Ausschreibungen hin: je genauer diese ist, desto weniger gibt es bei der Sanierung zu diskutieren.
Was glänzt und strahlt denn da? Andere Schadstoffe im Bau
Nach der Kaffeepause ging es zuerst um Holzschutzmittel: Norbert Weis, Geschäftsführer vom Bremer Umweltinstitut präsentierte mehrere Projekte, bei denen das Vorhandensein von Holzschutzmitteln bei Anwohnenden zu einer deutlichen bis hin zu gefährlichen Gesundheitsgefährdung geführt hat. Auch wenn in der Schweiz andere, und möglicherweise auch weniger Holzschutzmittel eingesetzt wurden, zeigte der Vortrag die Bedeutung der Problematik auf. Besonders beim Umbau von Dachstöcken in Wohnungen sollte eine Untersuchung auf Holzschutzmittel unbedingt durchgeführt werden.
Dass Künstliche Mineralfasern problematischer sein können als allgemeinhin angenommen, zeigte Heinz Kropiunik vom Ingenieurbüro aetas Ziviltechniker GmbH, Wien, auf. Mit detaillierten Analysen konnte er nachweisen, dass auch ältere, aber durchaus übliche Glas- und Steinwollen beim Bearbeiten sehr feine, lungengängige Fasern in hoher Konzentration freisetzen können. Entsprechend seien die Anforderungen aus dem Suva-Factsheet 33097 das mindeste, was nötig sei.
Im dritten Vortrag dieses Blockes sprach Anna Caterina Senn, wissenschaftliche Mitarbeiterin vom Bundesamt für Gesundheit BAG über natürlich vorkommende radioaktive Materialien (NORM) und radioaktive Altlasten. Neben radioaktiven Brandmeldern und Blitzableitern gehören dazu auch radioaktive Schlacken und Fliesen, deren Glasur radioaktiv sein kann (siehe auch Polludoc-Factsheet «Radioaktive Materialien in Gebäuden»). Das BAG wünscht sich, dass mögliche Vorkommen vermehrt erfasst und dem BAG gemeldet werden, damit sie gegebenenfalls die Sache weiter untersuchen können.
Diagnose, Fachbauleitung und Entsorgung weiter optimieren
Wenn man wissen will, wo und wie Asbest eingebaut wurde, kann es spannend sein, alte und erfahrene Handwerker·innen zu befragen. Arthur Kasper vom Verband für Wohnraumfeuerungen, Plattenbeläge und Abgassysteme erzählte, wo in Holzfeuerungen früher Asbest eingebaut wurde. Im Prinzip geht es erstens ums Dichten (z.B. von Rohren), zweitens ums Trennen (z.B. Dilatationsfugen) und drittens um den Brandschutz. Aber: Ofenbau war früher sehr handwerklich geprägt. Das heisst, dass nicht alle Ofenbauer gleich arbeiteten, und entsprechend auch an untypischen Orten Asbest vorhanden sein kann.
Herr Kasper erzählte auch, wie er früher selbst LAP zuschnitt: Damit die Schnittflächen schön gerade waren, wurden diese zum Teil auf dem Unterlagsboden abgerieben. All dies geschah ohne jegliche Schutzausrüstung.
Der nächste Vortrag gab einen Einblick in die neuen Vorgaben für die Entsorgung von Asbestabfällen. Simon Küng, Vorstandsmitglied des Verbands FAGES, präsentierte Auszüge aus dem Entwurf dieses Dokumentes. Gewisse Aspekte, etwa die VeVA-Codes, sollen vereinfacht werden. Für andere Punkte wird es präzisere Vorgaben geben, insbesondere für die Verpackung, die Zwischenlagerung und den Transport. Auch soll die Entsorgung von Asbestabfällen mit einem hohen organischen Anteil in der Kehrichtverbrennungsanlage zum «Stand der Technik» erklärt werden. Alle diese Vorgaben werden noch diskutiert und sollen anschliessend auf PolluDoc veröffentlicht werden.
Anhand eines Fallbeispiels präsentierte Karin Bourqui, Vorstandsmitglied der VABS, die neueste Version des verbandsinternen Pflichtenhefts zur Fachbauleitung bei PCB-Sanierungen. Im Grundsatz verlangt dieses Dokument die gleichen Massnahmen, wie bei Asbest-Sanierungen, geht in einigen Punkten aber noch weiter. So wird etwa verlangt, dass die Unterdruckzonen doppelschichtig aufgebaut werden (mit doppelter Plastikfolie), und die Unterdruckhaltegeräte mit einem H14-Filter ausgerüstet sind.
Perspektive Kreislaufwirtschaft?
Der letzte Teil der Konferenz war dem Thema Kreislaufwirtschaft gewidmet. Nicole Dähn vom Ingenieurbüro Gruner AG präsentierte ein Projekt, bei welchem nicht nur Bauschadstoffe erfasst wurden, sondern – in grossem Stil – auch Bauteile, die potenziell wiederverwendbar sind.
Das Projekt zeigt, dass eine Nachfrage in diesem Bereich durchaus besteht. Nicole Dähn wies aber auch auf die Herausforderungen hin: für welche Bauteile gibt es wirklich eine Nachfrage? Entsprechen die erfassten Bauteile auch den heutigen Normen (etwa Brandschutztüren)? Und wie koordiniert man den Ausbau und die Zwischenlagerung? Um in diesem Unterfangen erfolgreich zu sein, braucht es viel Fachwissen, das man sich zuallererst aneignen muss. Sie appelliert aber auch an die Branche, das Vorgehen zu vereinheitlichen.
Auch Jacques Martelain, Leiter des Service de géologie, sols et déchets des Kantons Genf (GESDEC) wies auf die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft hin, denn nicht nur die Ressourcen für die Herstellung von Baumaterialien kämen an ihre Grenzen. Es sind vor allem die Deponievolumen, die begrenzt sind und die die Entsorgung immer aufwändiger und eine Wiederverwendung interessanter machen.
Jacques Martelain schloss die Konferenz mit folgendem Appell ab: Wir müssen neugierig bleiben und die Kreislaufwirtschaft wird kommen. Lasst uns hier Pioniere und Pionierinnen werden!
Die nächste PolluConf findet am Freitag, 27. September 2024 wiederum im Kongresshaus in Biel statt.
November 2023, das PolluConf Team